Im Land der Dolomitfelsen

Im Land der Dolomitfelsen

Vielen Menschen ist es von alters her bekannt, daß das an Thüringen angrenzende Frankenland vielerlei Naturschönheiten und sehenswerte Landschaften innerhalb seiner Grenzen zu bieten hat. Hinzu kommt, daß inmitten dieses beschaulichen Fleckchens Erde so manche von Menschenhand geschaffene Sehenswürdigkeit zu finden ist. So mag es also nicht verwundern, daß sich am Samstag, dem 18.09.99, ein Bus auf den Weg macht, um einige Mitglieder und Freunde des Wickersdorfer Heimatvereines hinüberzufahren, ins verlockende Oberfranken. Der aus Könitz kommende Bus bringt schon eine ganze Reihe von Fahrgästen mit, als er um 06.30 Uhr uns Wickersdorfer auf dem Dreieck abholt. Wie sich das Wetter wohl entwickeln wird, läßt sich an Hand der Wolken, die den morgendlich dämmernden Himmel verhängen, nicht so recht deuten. Doch es herrscht Optimismus im Bus, als er aus Wickersdorf wieder hinausfährt. Vorerst besteht der Plan, in Bernsdorf, Volkmannsdorf und Wittgendorf noch einige Leute abzuholen, bevor es dann strikt in Richtung Bayern gehen soll.

Während unserer Fahrt über die Höhe entsteht erstmals der Eindruck, als wenn die Wolkendecke schon nicht mehr ganz so geschlossen wäre, wie sie es vor etwa zehn Minuten noch gewesen ist. Busfahrer Uli Daum, der schon des Öfteren den Heimatverein sicher und sachkundig übers Land kutschiert hat, fragt mich: „Sollen wir die Volkmannsdorfer im oberen oder im unteren Dorf abholen?“ Ich kann ihm seine Frage leider nicht verbindlich beantworten. „Vermutlich werden sie oben stehen“, sage ich zu ihm, „sie wissen doch, daß wir noch nach Wittgendorf weiterfahren müssen.“ Uli beschließt daraufhin, das untere Dorf anzufahren, wo natürlich – ganz wie ich es erwartet habe – niemand auf uns wartet. Also fahren wir das Dorf wieder hinauf. Auf halber Strecke kommt uns Kurt Hammer entgegen, der von seinem Standpunkt im oberen Dorf aus, den falsch abbiegenden Bus beobachtet hatte. Wir nehmen Kurt mit, holen alle weiteren Reiselustigen, die mit uns fahren wollen, ab und schon bald bewegt sich die ganze Gesellschaft in ungetrübter Stimmung ihrem Ziel entgegen.

Die noch am Morgen geschlossene Wolkendecke läßt mittlerweile schon ganz beachtliche Lichtblicke zu, so daß wir in berechtigter Erwartung eines schönen Tages auf die B281 in Richtung Neuhaus fahren. Kurt, unser Reiseleiter, hat über Bordfunk inzwischen seine Pläne offenbart und klärt uns in Reichmannsdorf darüber auf, daß dieser Ortsname auf die in der Vergangenheit gefundenen Goldvorkommen zurückzuführen ist. Wie viele Männer aber wirklich durch das Gold reich geworden sind, ist so genau nicht überliefert. Daß auf der Bahnlinie durch Schmiedefeld Eisenerz für die Maxhütte und Materialien für den Porzellanfabrikanten Moritz transportiert wurden, ist dagegen historisch belegt. Es ist also leicht nachvollziehbar, woher der im Volksmund geläufige Begriff „Max und Moritz – Bahn“ stammt.

Auf dem Höhenzug zwischen Piesau und Spechtsbrunn kreuzt unser Weg zum ersten Mal den Rennsteig. Im ständigen Wechsel – einmal rechts, einmal links – säumt dieser nun ständig unsere Fahrtstrecke, bis wir nach Steinbach am Wald kommen. Hier stoßen wir schließlich auf die B85, die, von Saalfeld kommend, an dieser Stelle den höchsten Punkt ihres gesamten Verlaufes erreicht. Das Gleiche gilt für die Bahnlinie von Saalfeld nach Nürnberg, die nur ein paar Meter weiter den Rennsteig überquert.

Wir wollen als nächstes auf der 85 schräg durch Oberfranken bis nach Kulmbach fahren. In Kronach führt sie uns an den Mauern der Feste Rosenberg vorbei. Das um 1130 errichtete Bauwerk ist mit 23600 m² Grundfläche die größte erhaltene mittelalterliche Festungsanlage Deutschlands. Innerhalb ihrer drei Mauerringe beherbergt sie in der heutigen Zeit das Frankenwaldmuseum und mit ihm die interessante „Fränkische Galerie“. Das direkt am Marktplatz stehende Geburtshaus des bekannten Malers „Lucas Cranach d. Ältere“ und das 1692 erbaute Kommandantenhaus sind weitere, aber sicher nicht die einzigen Sehenswürdigkeiten Kronachs.

Zwischen Kronach und Weißenbrunn muß Busfahrer Uli seine Sonnenblende an der Windschutzscheibe herunterziehen. Hatte er noch hinter Steinbach mit seinem am Radio angeschlossenen Außentemperaturfühler gerade mal 10° C gemessen, läßt jetzt die gleißende Sonne am strahlend blauen Himmel auf gemütliche Tagestemperaturen schließen. Während wir Weißenbrunn durchfahren, weiß Uli viel über die Bierbrautradition dieses Städtchens zu berichten. Allgemein ist Weißenbrunner Bier weit über die Stadtgrenzen hinaus recht beliebt.

Ursprünglich, und das schon vor langer langer Zeit, nahmen die Gambert- und die Schultheißbräu ihr Braurecht wahr und warden damit alsbald bekannt im ganzen Land. Viel viel später, erst in den sechziger oder siebziger Jahren unseres Jahrhunderts – genau kann sich Uli da nicht festlegen – wurde die Schultheißbrauerei von der Altenmünsterbrauerei, die ihren Hauptsitz im Allgäu hat, übernommen. Ein Betrieb, in dem die berühmte PEPSI-COLA produziert wurde, war mit Sicherheit keine ernstzunehmende Konkurrenz für die beiden Braubetriebe. Die Herstellung ist, aus welchen Gründen auch immer, inzwischen jedenfalls wieder aufgegeben worden.

Eine fast unglaubliche Geschichte erzählt uns Uli über den Stadtbrunnen, an dem wir vorbeifahren.

Die Brunnenfigur ist eine kniende Jungfrau – völlig entblößt – aus deren Brustwarzen sich je ein dünner Wasserstrahl ins Becken ergießt. „Zu bestimmten Stadtfesten“, so weiß es Uli, „läuft aus den Brüsten der nackten Schönen allerdings kein Wasser, sondern Bier.“ Wer den Wahrheitsgehalt dieses abenteuerlichen Berichtes anzweifelt, der sollte vielleicht bei entsprechender Gelegenheit das schöne Städtchen Weißenbrunn einmal besuchen.

Irgendwo auf freier Strecke holt Kurt die Speisekarte fürs Mittagessen hervor, was zu einer interessanten Wendung des Gesprächsstoffes auf den ersten Sitzreihen führt. Eigentlich will Kurt nur eine Liste anlegen, nach der er sich bei der Vorbestellung des Essens richten kann.

Uli läßt sich bei dieser Gelegenheit zu der Bemerkung hinreißen, daß er keine Rinderroulade essen möchte, weil die meistens mit Gewürzgurkenstreifen zubereitet sind, obwohl die gar nicht hineingehören. Selbstredend sehe ich es sofort als meine unabdingbare Bürgerpflicht an, ihn darüber aufzuklären, daß einer Rinderroulade ohne Gewürzgurkenstreifen ein unverzichtbar notwendiger Bestandteil fehlt. Leider läßt sich Uli auf seinem völlig abwegigen Standpunkt nicht beirren, so daß alsbald ein diskussionsartiger Gedankenaustausch entbrennt, bei dem die unterschiedlichen Meinungen mit gnadenloser Härte aufeinanderprallen. So gibt ein Wort das andere, ohne daß auch nur die Spur eines Kompromisses gefunden werden kann.

Es ist bedauerlicherweise nicht möglich, den Verlauf der Auseinandersetzung präzise in allen Einzelheiten schriftlich wiederzugeben. Als glücklicher Umstand kann gewertet werden, daß, für eine bessere Rekonstruierbarkeit, die Vorgänge im Bus von Robert Fritze mit seiner Videokamera in Bild und Ton dokumentiert werden. Zum vorläufigen Ende der Diskussion – nicht zur Einigung – führt schließlich eine über Bordfunk an alle Reiseteilnehmer gerichtete Umfrage. Wie zu erwarten war, stellt sich dabei heraus, daß unser Uli in der Gewürzgurkenfrage eine zerschmetternde Niederlage hinnehmen muß.

Mehr Glück hat er bei der Klärung des Problems, wo die B85, auf der wir uns immer noch nach Kulmbach hin bewegen, eigentlich endet. Während Kurt behauptet: „In Bayreuth ist Schluß.“, widerspricht Uli im Brustton tiefster Überzeugung: „Das Ende der B85 ist mitten in Passau.“ Nachdem unter Zeugen eine Wette um ein Faß von 1hl Bier abgeschlossen ist, stellt sich heraus – Uli hat recht.

Neben Weißenbrunn kann natürlich auch Kulmbach, wo vier große Brauereien ihren Geschäften nachgehen, als eine bekannte Hochburg der Braukunst bezeichnet werden. Als das eigentliche Wahrzeichen der Stadt sehen aber viele die Plassenburg an. Schon rein äußerlich soll sie eine ausgesprochen stattliche Erscheinung sein, aber in ihrem Inneren birgt sie – und das ist ja wohl nicht weniger beachtenswert – die größte Zinnfigurenausstellung der Welt. Da wir die Stadt auf dem Weg nach Bayreuth aber ohne Aufenthalt durchfahren, bekommen wir von den zahlreichen Sehenswürdigkeiten leider nicht sehr viel zu sehen. Den Weißen – und den Roten Turm, sowie alle die gut erhaltenen historischen Bürgerhäuser lernen wir heute nur aus den Erläuterungen unseres Reiseleiters kennen.

Ist man mit einem modernen Reisebus unterwegs, so wie wir, ist die Distanz Kulmbach – Bayreuth recht schnell überwunden. So eröffnet sich, schätzungsweise fünfzehn Minuten nachdem wir Kulmbach verlassen haben, die Skyline von Bayreuth unseren Blicken. Ihren Weltruhm verdankt die Stadt vermutlich nicht ihrer Eigenschaft als Hauptstadt des bayrischen Regierungsbezirkes Oberfranken. Vielmehr verbindet sich die Bekanntheit Bayreuths für sein internationales Publikum mit dem Ruf der von ihrem Namensgeber 1872 selbst ins Leben gerufenen Festspiele. Vermutlich müßten selbst solche Menschen, die nicht über fundiertes Hochschulwissen in deutscher Musikgeschichte verfügen, jetzt erkennen, daß dieser berühmte Bürger Bayreuths, dessen Werk sich über sämtliche Grenzen dieser Welt hinaus verbreitet hat, kein anderer als Richard Wagner sein kann. Sein Wohnhaus, das nach dem Vornamen seiner Frau „Villa Wahnfried“ benannt ist, ist in unseren Tagen als Museum eingerichtet.

Nun ist es ja bekanntlich so, daß jeder Reisende, sei er jung oder alt, dick oder dünn, arm oder reich, sei er Mann oder Frau, irgendwann, wenn die Reise länger währt, wird er von menschlichen Bedürfnissen bedrängt. Und als wir auf unserer Fahrt Bayreuth hinter uns lassen, währt unsere Reise schon eine ganze Weile. Nicht zuletzt aus diesem Grunde war schon im Vorfeld beschlossen, den Rasthof „Sophienberg“, gleich hinter Bayreuth, anzufahren. Man stelle sich also die ungläubigen und vielleicht auch bedrückten Blicke manches Fahrgastes vor, als wir die Ausfahrt des Rasthofes erreichen und feststellen, daß von der einladenden Gastlichkeit des Rasthauses nichts weiter als Ruinen vorzufinden sind. Selbst Uli kann in diesem Moment seine Verwunderung nicht verbergen. Doch Ruinen hin, Verwunderung her – uns bleibt nichts anderes übrig, als weiterzufahren und zu sehen, wo wir später einen Parkplatz finden.

So unvermutet, wie uns das Fehlen von Sophienberg getroffen hat, taucht nach ein paar Kilometern der Rasthof „Oberfranken“ vor uns auf. Auch hier muß Uli zugeben, daß er von der Existenz dieser Raststätte bisher keine Ahnung hatte. Aber schließlich ist es ja Sinn und Zweck einer jeden Reise, die Veränderungen auf dieser Welt kennenzulernen und zu registrieren.

Ohne zu zögern, fahren wir Oberfranken an und nutzen die Chance, alles zu erledigen, was wir uns auf Sophienberg verkneifen mußten. Für mich bietet sich in diesem Moment gleich die Gelegenheit, meines, vom Vereinschef Hans Krabiell übertragenen, Amtes zu walten.

Da Hans aus gesundheitlichen Gründen an der Fahrt leider nicht teilnehmen kann, hatte er mich gebeten, die Kassierung und Verwaltung der Unkostenbeiträge zu übernehmen. Dank des kooperativen Verhaltens der gesamten Reisegruppe gelingt mir die Abwicklung meiner Ehrenpflicht ohne die geringsten Komplikationen.

Von unserer Weiterfahrt kann man das allerdings nicht so ohne weiteres behaupten. Bedauerlicherweise kann ich im Nachhinein den genauen Ort des Geschehens nicht mehr benennen, als Kurt plötzlich Zweifel anmeldet, ob der eingeschlagene Weg uns unserem Ziel wirklich näher bringt. Urplötzlich weicht der Zustand einer vollkommenen geistigen Umnebelung von unserem Busfahrer und als er nach ein paar Minuten eine Stelle gefunden hat, wo er den Bus wenden kann, gibt er zu, daß er sich sowohl mental, als auch rein richtungsmäßig bereits auf der Heimfahrt befunden hatte. Da er sich aber bis dahin keinerlei Vergehens schuldig gemacht hat, verzeihen wir ihm ohne jede Diskussion und mit herumgerissenen Ruder geht die Fahrt weiter, jetzt direkt auf Pottenstein zu.

Noch bevor wir den Ort richtig erreicht haben, gehen allen, die bisher noch nicht kennen, was wir gerade zu sehen bekommen, die Augen auf. Der Eindruck, den der Anblick der ersten Dolomitfelsen auf den Betrachter macht, ist von atemberaubender Einmaligkeit. So schlagartig sind sie urplötzlich vor uns aufgetaucht, daß man meinen möchte, wir wären durch Zauberei auf einmal in eine andere Welt versetzt. Zur Beschreibung und Entstehungsgeschichte dieser imposanten Gebilde möchte ich aus den Aufzeichnungen unseres Reiseleiters, Kurt Hammer, zitieren.

– – -„ Durch exogene (erdäußere) Kräfte, wie Regen Frost, Erosion, wurden und werden die weicheren Gesteine, z.B. Kalk, abgetragen und härtere Gesteine bleiben als Dolomitfelsen stehen. Enge, steil aufragende Flußtäler und bizarre Felsformen sind typisch für diese Landschaft. Sie machen den Reiz und die Schönheit der Fränkischen Schweiz aus.“

Was man von außen natürlich nicht so gut zu sehen bekommt, sind die zahlreichen Höhlen, die auf ähnliche Weise wie die Felsen, aber halt unterirdisch, entstanden sind. Von der bekannten Teufelshöhle, die etwa anderthalb Kilometer lang ist, sehen wir zumindest den Eingang. Das hier gefundene Skelett eines Höhlenbären gilt als besonderer Anziehungspunkt für Besucher dieser Höhle.

Laut Programm des Reiseleiters soll jeder, der sich stark genug fühlt, die Gelegenheit bekommen, das Städtchen „Pottenstein“ auf eigenen Füßen zu erkunden. Der Bus soll derweil am anderen Ende der Stadt warten, wo wir dann wieder einsteigen und die Reise fortsetzen können.

Schon wenn man nach Pottenstein hineinfährt, sieht man hoch über dem Tal, in halsbrecherischer Weise auf den Fels gebaut, die Burg, in der in den Jahren 1228 und 1229 die heilige Elisabeth von Thüringen weilte. Aber nicht nur in Pottenstein, sondern – wie wir im Laufe des Tages noch feststellen werden – in der ganzen Region, stehen Häuser und Gebäude an Plätzen und Stellen, die wir, aus anderen Landesteilen kommenden, Besucher nur als schier unmöglich bezeichnen können. Was nicht direkt an den Rand von senkrecht abfallenden Berghängen gebaut ist, steht so provokatorisch unter überhängende Felsbrokken hingemauert, daß unsereinem schon vom bloßen Hinsehen himmelangst wird.

Für ziellose Verwirrung sorgt am Ende unseres Spazierganges … Busfahrer Uli. Nachdem Kurt sämtliche Parkplätze stadtauswärts abgesucht hat, kann er nur noch feststellen: „Kein Bus da!“ Zum Glück haben Gerd Müller und ich beobachtet, wie Uli, nachdem er keine geeignete Stelle zum Parken gefunden hatte, zum Ausgangspunkt unseres Stadtbummels zurückgefahren war. Gemahnt durch diese Beobachtung haben wir uns in diese Richtung auf den Weg gemacht und können uns alsbald davon überzeugen, daß der Bus auf einem großen Parkplatz stadteingangs steht. Während Gerd, der ja nicht ganz so gut zu Fuß ist, gleich an Ort und Stelle bleibt, mache ich mich behende auf die Socken, um das Hauptfeld, das noch immer bangend, irgendwo am entgegengesetzten Ende der Stadt, verzweifelt nach dem Bus sucht, auf den rechten Weg zu führen.

 

Ende gut, alles gut – niemand ist durch die Wirren abhanden gekommen und eine zufriedene Reisegesellschaft setzt ihre Fahrt entlang der Dolomitberge fort. Tüchersfels ist der nächste Ort, der auf unserer Strecke liegt. Kennzeichnend für das kleine Dorf ist – ich zitiere aus der Reisebeschreibung des Reiseleiters.

– – – „Häuser kleben an steil aufragenden Dolomitfelsen.“

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Diese Ausdrucksweise ist keineswegs übertrieben; erst, wenn man es gesehen hat, leuchtet einem ein, zu welch unglaublichen Leistungen menschliche Baukunst in der Lage ist. Die Augen geweitet durch den Anblick des Unfaßbaren, verlassen wir Tüchersfels in Richtung des Herzstückes der Fränkischen Schweiz. So könnte man die Zusammenmündung der drei Flüsse Püttlach, Ailsbach und Wiesent bezeichnen. Im dort gelegenen Ort „Behringersmühle“ sind wir in der gleichnamigen Gaststätte zum Mittagsmahle gemeldet.

Über Ausstattung und Service des Gasthauses gibt es eigentlich nichts zu meckern. Die Qualität des Essens wird am Schluß allerdings etwas unterschiedlich eingeschätzt. Während die Leute, die sich z.B. ein Schweineschäuferl bestellt haben, sich sehr zufrieden äußern, bekommt man das Cordon bleu, das in der Speisekarte mit Klößen angeboten wird, ganz zur Verwunderung der Betreffenden und ohne Preisnachlaß schließlich nur mit Pommes Frites serviert. Menschen mit Niveau, wie wir als Thüringer es nun mal sind, nehmen die Tatsache gelassen und ohne Murren zur Kenntnis und entscheiden am Ende, daß die Bewirtung im Großen und Ganzen in Ordnung war.

Wer von Behringersmühle aus die barocke Wallfahrtskirche in Gößweinstein besuchen will, muß sich einige Kilometer ziemlich steil den Berg hinaufquälen. Für uns übernimmt ja Gott sei Dank der Bus diese Aufgabe, so daß wir nach etwa fünfzehn Fahrtminuten direkt vor der Fassade des großartigen Bauwerkes halten. Die Basilika wurde in den Jahren 1730 bis 1739 unter der Leitung von Balthasar Neumann erbaut, der übrigens auch große Anteile an der Errichtung von „Vierzehn Heiligen“ hatte. Sowohl innen als auch außen ist die Kirche ein einziges Kunstwerk, das seinen Erbauern nur einmal zur Ehre gereicht. Die grandiose Schönheit im Detail beschreiben zu wollen, würde jeden Rahmen sprengen.

In fünf Minuten Fußmarsch von Gößweinstein aus gelangt man auf dem Gipfel des Berges zur Burg „Goßwinstein“. Das ehrwürdige Gemäuer wird noch privat genutzt und ist deshalb nur teilweise zu besichtigen. Dennoch lohnt sich der Weg hinauf, denn allein der Rundblick, der sich vom Burghof aus über die Landschaft bietet, ist der Mühe wert. Neben der noch intakten Burgkapelle und dem zurzeit nicht genutzten Kerker sind im Erdgeschoß einige Räume für den Publikumsverkehr zugänglich, die dem Besucher tiefere Einblicke in die mittelalterliche Lebensart erlauben. Welchem Umstand die verblüffende Ähnlichkeit der beiden Namen „Gößweinstein“ und „Goßwinstein“ zu verdanken ist, wird im Rahmen unserer Reise leider nicht geklärt. Stillen die einen während unseres Aufenthaltes in Gößweinstein ihren Wissensdurst, nutzen andere die Gelegenheit, die ansässige Gastronomie mit einem Besuch zu beehren.

Zur festgesetzten Zeit jedenfalls findet sich alles wieder an der Bushaltestelle ein.

Sogar Uli hält sich diesmal korrekt an seinen Lokaltermin. Wir fahren zurück nach Behringersmühle und wenden uns von hier dem herrlichen Wiesenttal zu. Die Wiesent gilt als Hauptfluß der Fränkischen Schweiz. Aus der Nähe von Steinfeld legt sie ungefähr siebzig Kilometer zurück, ehe sie bei Forchheim in die Regnitz mündet. Nach Informationen unseres Busfahrers, die sich durch eigenen Augenschein bestätigen, ist ihr relativ flacher und ruhiger Lauf ein besonderer Anziehungspunkt für Kanuwanderer. Die zerklüfteten Felsen ihrerseits locken Bergsteiger aller Couleur in diese Mini – Rocky Mountains zum Übungsklettern. „Dabei ist“, so klärt Uli uns auf, „nicht die Höhe entscheidend, sondern der Schwierigkeitsgrad.“

Wir fahren das Wiesenttal in einem Zuge flußaufwärts und Kurt läßt nicht ab, uns die Gegend und die Sehenswürdigkeiten der anliegenden Ortschaften zu beschreiben. Besondere Erwähnung finden dabei die Laurentinakapelle in Waischenfeld und die alte Kirche in Hollfeld mit ihrem Gangolfsturm. Von den Höhenzügen zwischen beiden Städten grüßen die Zinnen von Burg Rabeneck hinunter ins Tal. Auch Steinfeld, in dessen unmittelbarer Nähe die Quelle der Wiesent entspringt, durchfahren wir. Da wir nun die Ufer des Flusses hinter uns haben, befindet Kurt, daß die Zeit reif für eine kurze Rast sei. Tatsächlich gelingt es Uli, in der Nähe von Gräfenhäusling einen recht hübsch angelegten Parkplatz zu finden.

Nach einer ausgiebigen Pause ist dann die gesamte Mannschaft gerüstet, die Fahrt in Richtung Kloster Banz fortzusetzen. Auf dem Weg dorthin kommen wir durch das alt ehrwürdige Städtchen „Staffelstein“. Kurt weiß zu berichten, daß die Besiedlung des Fleckchens bis in vorchristliche Zeit zurückgeht. Es dauerte dann aber doch noch einige Jahrhunderte, bis der Ort 1330 das Marktrecht und 1418 schließlich das Stadtrecht zugesprochen bekam. Im Jahre 1492 wurde der wohl bekannteste Sproß der Stadt, Rechenmeister Adam Ries, geboren. Das von ihm verfaßte, erste nachweisbar in Deutschland anerkannte, Rechenbuch kann man heute noch im Heimatmuseum der Stadt besichtigen. Das seit 1986 betriebene Soleheilbad wird durch die heißeste Thermalquelle Bayerns gespeist. Das aus sechzehnhundert Metern Tiefe kommende Wasser erreicht mit 51°C die Oberfläche.

Die Geschichte von Kloster Banz geht bis ins zehnte Jahrhundert zurück. Die aus gelbem

Sandstein ursprünglich als Burg errichtete Anlage wurde im Jahr 1069 in ein Benedektinerkloster umfunktioniert. Seit 1978 nutzt die bayrische CSU das außerordentlich reizvoll gelegene und in seiner Bauweise hoch beachtenswerte Refugium als Tagungsstätte. Durch einen Gedenkstein wird an ihren einstigen Vorsitzenden, Franz Joseph Strauß, erinnert.

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Vor dem geschlossenen Portal der Klosterkirche äußert Kurt mir gegenüber die Vermutung: „Wahrscheinlich ist die Einrichtung hier etwas schlichter und nicht ganz so pompös wie in Gößweinstein.“ Aber damit soll er sich diesmal – es kommt ja nicht oft vor – gewaltig geirrt haben, wie sich im Inneren ganz schnell herausstellt. Doch angesichts des prunkvoll gestalteten Kirchenschiffes und des noch monumentaler wirkenden Altares ist so ein Irrtum noch schneller wieder vergessen. Die Krönung des Ganzen, bildet das über der Eingangsempore thronende, prachtvoll filigrane Orgelprospekt.

Auf dem Weg zum Abendbrot kommen wir durch die Hochburg der Korbmacherindustrie

in Deutschland. In der Gegend um Lichtenfels und Michelau ist die Metropole dieser guten alten Handwerkskunst angesiedelt. Kurts Kommentare werden ab hier etwas spärlicher, so daß unsere Fahrt nach Norden relativ ruhig verläuft. In Hochstadt erhebt er noch mal seine Stimme und teilt uns mit, daß wir für heute dem Maintal endgültig den Rücken zukehren. Von hier aus ist es schließlich nur noch ein kurzes Stück, bis wir in Kronach wieder auf die B85, diesmal aber in Richtung Heimat, fahren. Wir folgen ihr bis Rothenkirchen, wo wir sie verlassen, um im Gasthaus „Beim Haukensepper“ zum Abendessen einzukehren. Der Empfang ist, wie in der Behringersmühle, sehr freundlich. Auf meine Frage, was es denn alles zu trinken gäbe, antwortet mir das freundliche Fräulein, das die Getränkebestellung aufnehmen will: „Bei uns gibt es alles zu trinken.“ Ermutigt durch diese Information bestelle ich mir also ein dunkles Hefeweißbier. Nach etwa einer Minute steht die junge Kellnerin wieder an unserem Tisch und fragt mich: „Darf es vielleicht auch ein helles Weißbier sein?“ Trotz dieser kleinen Begebenheit gibt es am Ende die einhellige Meinung: „An Qualität und Service läßt der Haukensepper nichts zu wünschen übrig.

Die endgültige Heimreise treten wir über die Frankenwaldhochstraße an. Auf verschiedentlichen Wunsch legt Uli ein Video über die wirtschaftliche Entwicklung der besuchten Region in den fünfziger und sechziger Jahren ein. Wie sich später herausstellt, hat es nicht allen gefallen.

Nachdem der Film zu Ende ist, bleibt noch genug Zeit, daß sich Fahrer und Reiseleiter von ihren Fahrgästen verabschieden. Auf Grund der Abwesenheit von Hans Krabiell und Uli Knopf, sehe ich mich letztendlich in der Pflicht, selbst einige Worte des Dankes und des Abschiedes im Namen des Vereinsvorstandes ins Mikrofon zu sprechen.

Wir Wickersdorfer sind die ersten, die ihren Heimatort wieder erreichen. Es ist kurz nach acht und wir können sagen: „Ein schöner Tag geht zu Ende!“

Eddy Bleyer