Wickersdorf hinaus sitze ich gemeinsam mit Simone Jakob, Jürgen Bräuer und dem Fahrer, Haiko Jakob, im Auto. Mit dem neuen AUDI ist Haiko sehr zufrieden. Er ist der Meinung, es ist das beste Auto, das er je hatte. Ein kleiner Makel stellt sich im Laufe der Fahrt allerdings doch heraus. Das eingebaute Navigationssystem kann keinerlei schlüssige Auskunft über die Leuchtenburg bei Kahla geben.
Wir finden unser Reiseziel an diesem Nachmittag des 16. September 2017 trotzdem. Die Leuchtenburg ist ja schließlich in der Landschaft nicht zu übersehen. Wie Familie Jakob sen. uns später erklärt, sieht man sie bereits, wenn man aus Hoheneiche in Richtung Saalfeld hinausfährt. Hella Munzert und Norbert Freyer bestätigen dies.
Vom Parkplatz unterhalb der Burg lassen wir uns von Reiner Rosenbusch bis vor die Haustüre fahren. Reiner fährt heute einen Kleinbus, den uns die Lebensgemeinschaft Wickersdorf für unseren Ausflug freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat. Viele Jahre war an solch einen Service bedauerlicherweise nicht zu denken.
Nur kurze Zeit nach unserer Ankunft stellt sich ein noch wirklich sehr junges Mädchen als unsere Führung vor. Ihr offensichtlich noch recht geringes Lebensalter hindert die junge Dame allerdings nicht daran, uns ganz professionell über die Geschichte der ehrwürdigen Mauern aufzuklären.
Wobei das Attribut „ehrwürdig“ im Zusammenhang mit der Behandlung der Strafgefangenen, die über Jahrhunderte hier gehalten wurden, doch eher als fragwürdig empfunden werden könnte. Die Ausführungen unserer Führerin geben recht anschaulichen Aufschluss darüber.
Dem ersten Teil unserer Führung folgt eine kleine Planänderung. Statt im Burgrestaurant ist unsere Kaffeetafel in der Turmstube gedeckt. Einen schlechten Tausch haben wir damit aber sicher nicht gemacht. Der Grund für die Umstellung sind die zahlreichen Hochzeitsfeiern, die an diesem Nachmittag auf der Burg stattfinden. Mit derartigen Veranstaltungen können sich die Betreiber sicher ein halbwegs erquickliches Zubrot verdienen. Das Ambiente des alten, aber sehr ordentlich restaurierten, Gemäuers gibt es allerdings auch her. Nach unserer Kaffeepause in der Turmstube bin ich mir dessen sicher.
Den zweiten Rundgang unserer Expedition absolvieren wir im Porzellanmuseum. Wiederum unter Anleitung der jungen Dame. Es kann eine sehr lehrreiche Sache sein, so ein Porzellanmuseum. Diese Erfahrung wird mir wohl noch eine Weile in Erinnerung bleiben.
Nicht nur die beeindruckenden Ausstellungsstücke, sondern auch die professionellen Ausführungen unserer Führung bringen mir bisher völlig unbekannte Zusammenhänge der Porzellanherstellung ausgesprochen anschaulich nahe. Der den Rundgang abschließende Wunschgraben, für den man einen Wunsch auf ein Porzellanstück schreiben kann, um dieses dann in die Tiefe fallen zu lassen, scheint mir eine Idee zu sein, die durchaus auch ein wenig zum Nachdenken anregt. Auch wenn die fixierten Wünsch nicht gleich alle und sofort in Erfüllung gehen.
Für die meisten von uns geht, nachdem wir den Wunschgraben wieder verlassen haben, noch der Wunsch in Erfüllung, die Porzellankirche zu besichtigen. Dies hätte eigentlich zur Führung gehört, war zu diesem Zeitpunkt wegen einer Eheschließung allerdings nicht möglich gewesen. Das Besondere an dieser Kirche sind die mit Porzellan ummantelten Säulen.
Die Innenausstattung des Raumes ist sehr modern gehalten, was ihrem religiösen Charakter meiner Meinung nach aber überhaupt nicht im Wege steht. Sie vermittelt so ein bisschen den Eindruck, Gott sei kein weiser, alter Mann, sondern ein verwegen inspirierender Architekt der mit dem Mut der Jugendlichkeit ein tragendes Gerüst für den Glauben der Menschheit aufbaut. Was freilich nicht real, sondern rein bildlich zu verstehen ist.
Die Rückkehr zum Parkplatz wird vom Fehlen Michael Unglaubs überschattet, was sich am Ende aber als falscher Alarm herausstellt. Michael ist eben einer, der seine eigenen Wege geht!
Wir setzen unseren Weg nun allerdings fort, indem wir nach Saalfeld zurückkehren. Genau genommen, in den Park der Villa Bergfried. Das Glockenspiel, das dort steht, ist das älteste Deutschlands. Wir hören die Musik schon läuten, während wir noch den Weg hinauf marschieren.
Die Tasten des Spielwerks muss man eigentlich eher als Hebel bezeichnen, auf die man ordentlich drauf hauen muss. Diese sind per Seilzug mit Klöppeln verbunden, die dann die jeweilige Glocke zum Klingen bringen. Knut Schieferdecker ist in Saalfeld der einzige Musiker, der dieses Instrument richtig spielen kann. Obwohl er schon mehrere Schüler in seiner Kunst unterwiesen hat, findet sich momentan kein potentieller Nachfolger für ihn. Im Übrigen weiß er viel Interessantes über die sehr seltenen Instrumente zu berichten, die in Fachkreisen auch als Carillon bezeichnet werden.
Darüber hinaus gibt es schließlich am Ende sogar noch ein kleines Wunschkonzert. Den krönenden Abschluss bildet dann allerdings ein kurzer Abstecher hinauf in den Turm. Nachdem er mit musizieren aufgehört hat, öffnet Herr Schieferdecker für uns die Luke, über der die Glocken hängen. Glocken, vielleicht so groß wie ein Wassereimer, hätte ich ja noch erwartet. Die Glocken, die aber dort hängen, würden jedem Kirchturm Ehre machen. Zumindest einige davon.
Mit diesem Einblick, der sicher nicht allzu vielen Menschen in ihrem Leben jemals gewährt wird, naht dann auch die Zeit des Abschieds. Ab 18.00 Uhr müssen die Glocken schweigen. Da kennen die Nachbarn kein Pardon. Und nachdem wir uns artig bedankt haben, ziehen wir uns durch den japanischen Garten wieder zurück.
Beladen mit dem vielen Neuen, das uns dieser wunderbare Nachmittag bescherte.
Heimatverein Wickersdorf e.V. Eddy Bleyer
September 2017