Nicht vorzustellen, was wir verpasst hätten, wäre die Veranstaltung am Vorabend des 1. Advent 2022 tatsächlich abgesagt worden, wie es vorübergehend schon angedacht war.
Da die Absage ja aber zum Glück wieder zurückgenommen wurde, traf mich die Pflicht, am 25. November unseren Backofen anzuheizen. Eine Aufgabe, die ich ja gern übernehme, denn die in unserem Backhaus gefertigten Brote und Stollen fanden bisher stets dankbare Abnehmer.
Besonders lustig ist es nicht, dass unser Ofen leider nicht in der Lage ist, einmal 12 Stunden am Stück durchzubrennen. Dadurch bleibt mir nichts weiter übrig, als mindestens 3 Mal des Nachts ins Backhaus zu gehen und etwas Holz nachzulegen. Lobend erwähnen muss ich dabei, dass Johann Friedrich Patzer, der Sohn unseres Bäckerburschen Ludwig Patzer, diesmal freiwillig den Dienst um 02.00 Uhr übernahm. Da er allerdings noch recht jung und unerfahren ist, musste ich ihm dabei schon etwas hilfreich zur Seite stehen und deshalb meinen nächtlichen Schönheitsschlaf trotzdem unterbrechen. Es ist dennoch ein ermutigender Gedanke, dass es noch junge Leute gibt, die bereit sind, zum Nutzen anderer mitten in der Nacht ihre gemütliche Lagerstatt zu verlassen. Wer weiß, eines Tages oder nachts wird er dann vielleicht als unser Nachwuchsbäcker den Laden auch ohne meine Hilfe schmeißen. Über kurz oder lang wird es ohne Nachwuchs in unserer Backstube ganz sicher nicht mehr weitergehen.
Dank der Unterstützung meines jungen Helfers hatte der Ofen die absolut perfekte Temperatur, als sich alle Beteiligten kurz vor neun am Backhaus trafen. Ludwig und sein Sohn hatten da bereits den Stollenteig aus der Bäckerei Wagner in Saalfeld geholt. Bäcker Andi Taubert aus der Lebensgemeinschaft vermeldete, dass wir gegen zehn auch den Brotteig holen könnten. Haiko Jakob, dem im vorangegangenen und weiteren Verlauf der Handlung absolut unverzichtbare Aufgaben bescheinigt werden müssen, spielte zu dieser Zeit momentan keine tragende Rolle.
Doch die Zeit verging schnell und schon holten wir die Brote, von Bäcker Andi bereits in die Gärformen gebracht, aus der Lebensgemeinschaft, um sie noch eine Weile aufgehen zu lassen. Alles andere war dann Routine. Am Ende die Brote, knusprig goldbraun, man kann sich schönere kaum vorstellen. Vom Geschmack ganz zu schweigen.
Als ich am Vortag begonnen hatte, den Ofen vorzuheizen, war Reiner Rosenbusch, unser Dorfelektriker bereits zugange, den Weihnachtsbaum auf unserem Dorfplatz mit den ersten Lämpchen zu behängen. Heute, wo wir in der warmen Backstube unserem Tagwerk nachgingen, strebte Reiner danach, den Baumschmuck zu vollenden. Mit Hilfe seiner Frau Anja und bei Temperaturen, die alles andere als gemütlich waren. Eine Leistung, die eigentlich jedes Jahr wieder höchste Anerkennung verdient.
Zwischenzeitlich hatten wir natürlich auch den Stollenteig, der bis dahin im Außenbereich gestanden hatte, ins Warme geholt. Mit dem Formen der Stollen konnten wir die Backzeit der Brote sinnvoll überbrücken. Anschließend ließen wir auch die Stollen noch ordentlich aufgehen, nachdem wir die Brote aus dem Ofen geholt hatten. Unser Timing passte hierbei so hervorragend, dass wir auch die Stollen bei absolut idealer Temperatur in den Ofen schieben konnten. Prachtvolle Stollen ohne jeden Makel waren der Lohn für unsere Arbeit. Diese mussten schließlich nur noch mit geschmolzener Butter bestrichen und mit Puderzucker bestreut werden, um sie – sauber in Tüten verpackt – später unseren Gästen verkaufen zu können.
Es war dann bereits dunkel, als sich der Posaunenchor Hoheneiche vor unserer Wandertafel aufstellte. Links davon der Glühweinstand der Feuerwehr und rechts das Backhaus, wo die von uns erschaffenen Backwaren feilgeboten wurden. Hell leuchtend über all dem Gewimmel der Weihnachtsbaum, begrüßt von einem überrascht begeisterten AAAHHH und OOOHHH. Wie es der alten Väter Sitte vorschreibt.
Indes draußen noch die Blasmusik Adventsstimmung verbreitete, wurden im Vereinshaus bereits die Tische gedeckt. Die Brote hierfür hatte Bäcker Andi in seinem Backofen in der Lebensgemeinschaft gebacken. Eine ausgezeichnete Qualität muss man auch ihnen bescheinigen. Sie verdienten und erhielten am Ende großes Lob.
Die nächtliche Feier stand ganz im Zeichen des Advents und des Geburtstages von Sven-Holger Schier. Ein klein wenig mehr des letzteren vielleicht, denn Sven hatte einen beträchtlichen Teil der Kosten übernommen. Sodass alle Anwesenden sich faktisch als seine Gäste ansehen durften. Und das waren schließlich mehr, als Haiko Jakob in seiner Anmeldeliste stehen hatte. Wir mussten am Ende ordentlich zusammenrücken, damit alle einen Platz bekamen.
Ihr Publikum innerhalb kürzester Zeit auf den höchsten Gipfel der Stimmungspalme zu bringen, verstehen die Thüringer Waldspitzbuben tatsächlich ausgezeichnet. Sie hatten echt kaum angefangen, da tobte schon der ganze Saal. Was die beiden mit ihren Akkordeons und Gitarren losließen, war der absolute Hammer. Das war mal eine Bescherung, die es richtig in sich hatte. Selbst der totale Stimmungsblocker, wie ich einer bin, konnte sich der Tränen (vor Lachen) nicht erwehren. Hut ab vor den beiden, kann ich da nur sagen. Die Leute derart zum Brüllen zu bringen – das Talent muss man erstmal haben. Um die 2 Stunden dauerte es bestimmt, bis sich die Waldspitzbuben nach mehreren Zugaben schließlich und endlich doch von ihrem Publikum losrissen und ihre Instrumente zusammenpackten. Die Stimmung, die sie hinterließen, erleichterte unserem DJ, Splitt van Streugut, den Start. Besonders das Jungvolk im Saal stieg voll auf die frische Art der Unterhaltung ein und stürmte regelrecht die Tanzfläche. Auf diese Art ging es dann bis weit in die Nacht hinein.
Es ist in der Tat überhaupt nicht vorstellbar, was wir verpasst hätten, wenn diese Party der absoluten Superlative abgesagt worden wäre.
Heimatverein Wickersdorf e.V. Eddy Bleyer
November 2022