Auf die Idee, in unserem Backhaus auch mal Stollen zu backen, brachte uns der allseits versierte Prof. Ludwig Patzer. Zumindest war er der Erste, der die Idee laut äußerte und im gleichen Zug erklärte, die Kosten für den Teig zu sponsern. Insofern war sein Anliegen freilich auch praktisch gut realisierbar. Also einigten wir uns, am Samstag, den 21. November, das Vorhaben in die Tat umzusetzen.
Unser Team bestand aus Haiko Jakob und mir als langjährige Backhausbesatzung sowie aus Ludwig und seinem Sohn Johann Friedrich, die sich als Helfer ihren Beitrag zum Gelingen des Ganzen nicht nehmen lassen wollten.
Um das Gelingen auch zu sichern, hatte Haiko zum Zwecke des Vorheizens bereits am Vortag ein ordentliches Feuer im Backofen gemacht. Dazu hatte er unseren gesamten Brennholzvorrat aus seinem Garten ins Backhaus umgelagert. Als sich am Abend die versammelte Mannschaft im Backhaus einfand, um den weiteren Werdegang zu besprechen, war der Ofen schon ziemlich warm und es befand sich auch noch Glut darin. Um die Temperatur über die Nacht zu retten, beschlossen wir, noch ein paar Stücke Holz nachzulegen. Es tat sich anfangs wohl etwas schwer, aber mit der Zeit zündete die Sache prima durch. Wir vereinbarten schließlich, uns am nächsten Morgen gegen 07.00 Uhr wieder zu treffen, um dann mit dem nötigen Ernst das erste Mal Stollen zu backen.
Den Teig hatte Ludwig in der Bäckerei Wagner in Saalfeld bestellt, wo er ihn so um halb acht abholen sollte. Dorthin brach er, den Junior im Schlepptau, gleich nach unserem morgendlichen Treffen auf. Haiko und ich wollten uns während seiner Abwesenheit darum kümmern, den Ofen auf die empfohlene Temperatur von 180° C zu bringen. Wie wir nun aber feststellen konnten, war der Ofen durch unser nächtliches Heizen um diese Zeit noch um reichliche 100° zu heiß. Offensichtlich hatten wir doch ein paar Stücke Holz zu viel aufgelegt. Aber das genau zu treffen, ist halt die Kunst. Zumindest wäre es nun Quatsch gewesen, unter diesen Umständen noch mal Feuer zu machen. Also ließen wir das sein und beobachteten, wie sich die Temperatur in der Folgezeit entwickeln würde.
Als Ludwig und Johann Friedrich von ihrer Mission zurückkehrten, hatte sich noch nicht viel getan, so dass wir schließlich die Tür und den Zug des Backofens öffneten, um damit das Absenken der Hitze etwas zu beschleunigen. Sodann machten wir uns darüber, unsere Stollen zu formen. Wie auch bei Broten gab ich unseren Teigklumpen das jeweils angestrebte Gewicht. Im Falle unserer Stollen betrug das 800g. Haiko rollte die Klumpen dann aus und faltete sie zu echten Wickersdorfer Stollen zusammen. Ludwig und Sohn legten diese fein säuberlich aufs Regal, wo sie letztendlich noch ein bisschen aufgehen sollten.
Als wir auf diese Weise 27 der herrlichsten Stollenlaiber hergestellt hatten, drängte sich uns die Erkenntnis auf, dass unser Backofen immer noch entschieden zu heiß war, um diese auch hineinschieben zu können. Als zweckmäßig hatte sich in der Vergangenheit erwiesen, einen Topf mit kaltem Wasser in die Röhre zu stellen. Dies wiederholten wir in der nächsten Viertelstunde wohl um die drei Mal. Einen wirklich großen Erfolg erzielten wir allerdings damit nicht. Es blieb uns also nur noch eine Wahl.
Auf dem Platz vor dem Backhaus waren seit einiger Zeit Reiner Rosenbusch und Michael Harbich dabei, den am Vortag aufgestellten Weihnachtsbaum mit den zum Leuchten benötigten Lichterketten zu behängen. Wie Haiko und ich wussten, besitzt Reiner einen Staubsauger, der sowohl saugen als auch blasen kann. Diese Fähigkeit hatte uns schon einmal gerettet. Mit dem Schlauch die Raumluft direkt in den Ofen geblasen, das kühlt ihn relativ schnell ab. Trotzdem denke ich, so ein Viertelstündchen musste Haiko schon ventilieren (wobei uns anfangs erst einmal die noch im Ofen liegende Asche gehörig um die Ohren flog), bis wir unser Ziel endlich erreicht hatten.
Das war dann also die Stunde der Wahrheit. Mir fiel auf, dass der ziemlich fettige Stollenteig bei weitem nicht so fluffig vom Schieber rutschte, wie sonst die relativ trockneren Brote. Ansonsten gab es beim Einschießen eigentlich keine Probleme. Ziemlich verdutzte Gesichter dürften wir aber gemacht haben, als wir nach einer halben Stunde Backzeit unsere Stollen umsetzen wollten. Gleich beim ersten kam ich mit dem Schieber gar nicht darunter weil er richtig angebacken war. Damit hatten wir in der Tat nicht gerechnet. Haiko kam schließlich die Idee, ein Werkzeug, möglichst aus Metall und mit einer schärferen vorderen Kante, zu benutzen. Es gelang uns auch, eine gewisse Auswahl derartiger Instrumente aufzutreiben, mussten aber einsehen, dass sich nicht alle als geeignet erwiesen. Mit einer der Gerätschaften ließen sich unsere Stollen so halbwegs vom Boden lösen, allerdings blieb leider doch teilweise der Teig am Schamott kleben. Zu unserem Glück, aber ohne dass wir wirklich wüssten, wieso – die weiter hinten liegenden Stollen zeigten keinerlei derart verhängnisvoller Eigenschaften. So hielten sich unsere Verluste schließlich doch in sehr erträglichen Grenzen, wobei der am schlimmsten betroffene Stollen ohnehin gleich zum Zwecke des Verkostens in Stücke gerissen wurde. Die angeklebten Rester ließen sich mittels unseres Stahlbesens gut vom Boden entfernen, so dass schließlich nichts mehr auf die gerade erlebte, kleine Misere hindeutete.
Angesichts der nun wunderbar im Regal nebeneinander liegenden und herrlich duftenden Laibe wurde uns bewusst, dass hier aber doch noch ein Arbeitsgang unerlässlich auf uns zukam. Also ließen wir schon mal in einem Topf die Butter zerlaufen, von der Ludwig sehr reichlich mitgebracht hatte. Das Einstreichen übernahm er auch selbst. Da war von Sparsamkeit nichts zu spüren. Mir blieb die Aufgabe, mittels eines Küchensiebes ebenso verschwenderisch Puderzucker über die Butter zu stäuben. Kalorien über Kalorien – würde wohl manch einer jetzt denken. Und man müsste ihm Recht geben!
Aber welch unvergleichlichen Genuss der Verzehr solchen Gebäckes mit sich bringen würde, steht hier außer Frage. Dieses Ziel hatte für uns während der gesamten Aktion absolut oberste Priorität. Und ich behaupte, dieses Ziel hatten wir erreicht.
Doch wir waren nicht die einzigen, die an diesem und dem vorangegangenen Tag ganze Arbeit geleistet hatten. Das bewies das Ahh und Ohh, als Reiner im Auftrag unseres Vereinsvorsitzenden und Ortsbürgermeisters Haiko um 17.00 Uhr den Schalter zur Weihnachtsbaumbeleuchtung umlegte. Ein Hochgenuss der visuellen Art! Bedenkt man, dass der etwa 8m hohe Baum 2 Tage vorher noch irgendwo mitten im Wald stand, dann nötigt einem das schon einen gewissen Respekt ab. Nicht nur, dass er gefällt, ins Dorf geschleppt und dort wieder aufgerichtet werden musste. Schon da gehört ein bisschen was dazu. Doch sieht man schließlich die tausenden von Lichtern an ihm leuchten, dann gebietet das ja fast schon Ehrfurcht vor den Männern, die in mühevoller und akribischer Kleinarbeit die Lichterketten im Geäst befestigen mussten.
Und während das Licht des Baumes feierlich über den Platz strahlte, schenkte Bernd Liebner lecker Glühwein unter den erschienen Gästen aus. Haiko indessen hielt unsere Stollen feil, die auch allesamt ihre Abnehmer fanden. Der Obolus, den Uli Knopf dafür kassierte, bereicherte am Ende die Spendenkasse unseres Heimatvereins. Und obwohl die abendliche Luft am Ende mit spürbarer Kühle über uns hereinbrach, war die Stimmung unter den Leuten heiter bis besinnlich und sie wichen nicht zurück, bevor Bernd auch den letzten Tropfen seines Glühweines verteilt hatte.
Heimatverein Wickersdorf e.V. Eddy Bleyer
November 2015