Wasserwege

Wasserwege

Wer früher aufsteht, der hat mehr vom Tag. Diese Devise mag durchaus ein Quäntchen Wahrheit enthalten. Wenn man allerdings vor hat, eine Busreise quer über das Gebiet der ehemaligen DDR zu machen, ist früh aufstehen die Voraussetzung dafür, dass man überhaupt etwas vom Tag hat. Zumindest wenn man wünscht, am selben Tag abends auch wieder zu Hause zu sein.

Aus diesem Grund dürfte wohl in manchem Haushalt in Wickersdorf am 31. Mai 2003 so in der Spanne zwischen halb vier und halb fünf der Wecker klingeln. Mit dem Bus in den Spreewald zu fahren, ist nämlich das Ziel, das der Heimatverein sich für heute gestellt hat. Gott sei Dank wird es ja um diese Jahreszeit schon relativ früh hell, so dass das Aufstehen nicht ganz so schwer fällt, wie wenn man sich in stockfinsterer Nacht aus den Federn quälen muss.

Kurz vor fünf hat sich schließlich auch ein ganz ansehnliches Trüppchen von Leuten auf dem Dreieck versammelt. Die Abfahrtszeit des Busses, der beim Reiseunternehmen „Greiner“ in Oberhain bestellt ist, ist auf Punkt fünf festgelegt.  Der Bus, der pünktlich zur festgesetzten Zeit unsere bequeme Wendeschleife völlig unbeachtet lässt und dafür durch elegantes Rück-wärtsstoßen auf der Dorfstraße wendet, kommt aus Könitz, vom Reiseunternehmen „Kroll“. Am Steuer sitzt, zum ersten Mal in der Geschichte unserer Heimatvereinsbustagereisen, eine Frau. Susanne Kroll, die Chefin in höchsteigener Person. Sie arbeitet eng mit dem „Greiner“ zusammen, der sie für diesen Tag gebeten hat, unsere Spreewaldtour zu übernehmen. Susanne ist nicht auf den Mund gefallen und erklärt uns das ganze Drumherum, während wir aus Wickersdorf hinaus, in Richtung B 281 fahren.

Unterwegs auf der Bundesstraße, in Richtung Nordosten fahrend, entdecken wir gleich nach Hoheneiche, wo Christa Müller und Karin Wieczorek aus Volkmannsdorf unserem Bus zugestiegen sind, unser erstes sensationelles Naturereignis für diesen Tag. Der Mond macht sich nämlich gerade in diesem Augenblick daran, einen Teil der Sonne zu einer partiellen Sonnenfinsternis zu verdecken. Wir haben das große Glück, trotz einiger Wolken am Himmel, freie Sicht auf dieses ja doch nicht ganz so häufige Naturschauspiel zu haben. Einsicht in die Wichtigkeit dieses Vorganges zeigend, fährt unsere Busfahrerin am oberen Kleingeschwen-daer Weg rechts ran, um ein paar Leute entsprechend wichtige Fotoaufnahmen davon machen zu lassen.

Das Gleiche wiederholt sich noch einmal auf der Bergkuppe zwischen Arnsgereuth und Witzendorf, wo man fast eine noch bessere Sicht auf das Ganze bekommt. Während sich unsere Hobbyfotografen noch redlich mühen, den einmaligen Eindruck aufs Zelluloid oder den Speicherchip ihrer Digitalkamera zu bannen, hat Susanne schon Martin und Renate Heß aus Wittmannsgereuth entdeckt, die eben an der Witzendorfer Haltestelle angekommen sind, um uns auf unserer Reise zu begleiten.

Das letzte Mal für heute halten wir in Dittrichshütte, um unternehmungslustige Fahrgäste, in diesem Fall Familie Schäfer aus Braunsdorf, einzuladen. Die Schäfers haben ihre Enkelin dabei, was gar keine so schlechte Idee ist. Wie Dr. Uli Knopf nämlich wenige Augenblicke, nachdem die drei eingestiegen sind, in seiner Begrüßung bekannt gibt, sieht der Heimatverein diese Fahrt unter anderem gleich als vorgezogenen Beitrag des Vereins zum Internationalen Tag des Kindes an, der ja bekanntlich am folgenden Tag allerorts gefeiert werden sollte. Wie das Zeremoniell es vorschreibt, begrüßen Vereinsvorsitzender und Busfahrer (respektive Fahrerin) immer gleich nacheinander die vollständig versammelten Fahrgäste. So wird es auch diesmal gehalten und Susanne lässt sich nicht lange bitten, das Wort von Uli zu übernehmen und sich den Insassen ihres Busses vorzustellen. Inzwischen ist es halb sechs und der Bus soll nun, bis auf eine kurze Rast irgendwo an der Autobahn, nicht mehr halten, ehe er sein Ziel erreicht hat. Die Sonnenfinsternis hat eben ihren Höhepunkt erreicht. Wir sehen sie, da wir von Unterwirbach nach Beulwitz offensichtlich ziemlich in die entgegengesetzte Richtung fahren wie vorhin, jetzt genau von der anderen Seite. Wer jetzt noch vor hat, irgendwelche fotografische Dokumente zu erstellen, muss dies aus dem fahrenden Bus heraus versuchen.  Wenn wir das nächste Mal aus dem Bus aussteigen können, wird von einer Sonnenfinsternis nicht die geringste Spur mehr zu sehen sein. Außerdem nimmt im weiteren Verlauf unserer Fahrt die Bewölkung zu, so dass die Sonne für die restliche Dauer der Sonnenfinsternis nur noch hinter einem ziemlich dichten Schleier auszumachen ist, und wir schließlich nichts mehr davon erkennen können.

Die ganze Fahrt über lockert die Bewölkung kaum noch auf, dafür aber Susanne. Ihr Hauptgesprächspartner ist Uli, mit dem sie Informationen über straßen- und städtebauliche Neuigkeiten mehr oder weniger naheliegender Regionen austauschen kann. Aber auch über ganz lapidare Dinge aus dem privaten oder geschäftlichen Leben plaudern die beiden. In den Bankreihen dahinter spielen Kinder, deren Eltern wiederum über ganz andere Episoden des alltäglichen Lebens ihre Meinungen enthüllen. Es ist also nicht langweilig im Bus, wobei man trotzdem auch hier und da eine schlummernde Gestalt ausmachen kann, die dabei ist, versäumten Nachtschlaf nachzuholen. Susanne hat dann irgendwann mal einen Punkt erreicht, an dem sie es sogar mit einem Witz versucht, die Stimmung im Bus mal so richtig in Gang zu bringen. Es fällt allerdings ziemlich deutlich auf, dass das Erzählen von Witzen wahrscheinlich nicht unbedingt zu ihren stärksten Seiten gehört. Nun gut, es kann schließlich auch nicht jeder ein perfekter Witzeerzähler sein. Für uns ist es wichtig, dass Susanne ordentlich Bus fährt … und damit hat sie offensichtlich wirklich keine Probleme.

Die letzte Raststätte vor Leipzig ist für uns gleichzeitig die letzte Möglichkeit, eine Pause mit WC – Benutzung einzulegen. Es ergeht deshalb einhellig der Beschluss, diese Möglichkeit zu nutzen. Dass an diesem Samstag Bayern München irgendein Pokalspiel in Berlin hat, und dass die A9 die schnellste Verbindung zwischen München und Berlin ist, um ein endloses Heer von Schlachtenbummlern von hier nach da zu bringen, daran hat beim besten Willen keiner gedacht. Es wird uns allerdings sehr anschaulich demonstriert, dass es so ist. Auf dem Rastplatz wimmelt es nämlich nur so von Fans der Münchner Bayern. Und die meisten von ihnen müssen auch mal aufs Klo. Trotzdem wird immer mal wieder ein Platz an irgendeinem Pinkelbecken frei, so dass mit der Zeit auch wir, einer nach dem anderen, in den Genuss kommen, uns zivilisiert zu erleichtern. Nebenher bietet sich noch Gelegenheit, eine ganze Herde Wildkaninchen zu beobachten, die sich auf der Wiese unmittelbar bei der Raststätte tummeln, ohne die geringste Notiz von dem ganzen Trubel zu nehmen. Wobei letzteres, durchaus interessantes Schauspiel, von der Toilette aus selbstverständlich nicht wahrzunehmen ist.

Insgesamt dauert unsere Rast etwas länger als geplant, so dass ernsthafte Mahnungen ergehen, dass wir bei weiterer Verzögerung unweigerlich mit Verspätung rechnen müssen. Trotzdem besteigen wir unser Fahrzeug ohne sonderliche Hast, im Vertrauen, dass schon alles gut gehen wird. Susanne tritt ordentlich aufs Gas, im Rahmen aller notwendiger Verkehrssicherheit natürlich. So kommen wir zügig voran, haben allerdings auch noch ein gutes Stück Weges vor uns. Vor allem haben wir auch noch etliche Städte zu durchfahren, was uns mit Sicherheit auch noch einiges an Zeit kosten wird. Susanne verliert jedenfalls nicht die Ruhe. Wann immer sie freie Bahn hat, macht sie ordentlich Kilometer. So gegen neun merken wir dann allerdings, dass unsere mit Ehrgeiz angestrebte Ankunftszeit einfach nicht zu halten ist. Also wird Haiko Jakob beauftragt, in Lübbenau, wo unsere Spreekähne auf uns warten, anzurufen, um unsere Säumnis vorzumelden.

In Lübbenau biegen wir zu allem Überfluss dann auch noch eine Straße zu früh links ab, genau wie der Bus, der schon die letzten dreißig oder vierzig Kilometer vor uns hergefahren ist und offensichtlich das selbe Ziel hat wie wir. Hier ist Susanne allerdings wirklich von jeglicher Schuld freizusprechen. Dass die Beschilderung an der besagten Stelle tatsächlich mehr als mangelhaft ist, lässt sich in dem Moment unzweifelhaft nachempfinden, als uns schon nach wenigen Metern ein Bus entgegenkommt, der offensichtlich dem selben Trugschluss aufgesessen ist, wie Susanne und der Busfahrer vor uns. Die Straße führt wohl, laut Wegweiser, genau dahin, wo wir und wahrscheinlich auch die Anderen hin wollen. Das Dumme ist nur, dass nach einem knappen halben Kilometer Busse diese Straße nicht weiter befahren dürfen. Und das ohne jede Vorwarnung!

Wenigstens hat man es fertig gebracht, eine vernünftige Wendestelle einzurichten, so dass wir ohne Probleme wieder zurückfahren können; trotzdem hat uns dieses überflüssige Manöver nochmal mindestens zehn Minuten unserer kostbaren Zeit gekostet. Alles in allem kommen wir etwa eine halbe Stunde später an, als ursprünglich geplant. Nun müssen wir nur noch vom Busbahnhof, wo schon mächtig viele Busse stehen, zum Hafen gelangen, wo unsere Kähne auf uns warten. Ungefähr eine halbe Stunde Fußmarsch oder zehn Minuten Busshuttle, das sind die Alternativen, die uns zur Verfügung stehen. Wir wählen freilich die bequemere, die dann auch schon nach kurzer Wartezeit in Form einer Tschu – Tschu – Bahn auf den Platz fährt. Wer sich schnell noch für einen Gang auf die am Platz befindliche Toilette entschieden hat, muss jetzt ein paar schnellere Schritte einlegen, um den Anschluss nicht zu verpassen. Vielleicht 300 Meter dauert die Reise mit der Tschu – Tschu – Bahn. Die Holzbänke sind allerdings so hart, dass man es kaum jemanden zumuten kann, noch 100 Meter weiter damit fahren zu müssen. Mir tut schon nach 50 Metern der Arsch so weh, dass mir die Vermutung kommt, die bequemere Variante war in diesem Falle auf alle Fälle die schmerzhaftere. Und die teurere!

Das letzte Stück, es mögen vielleicht noch mal 300 Meter sein, müssen wir schließlich doch noch laufen. Uli marschiert vorneweg. Woher er den Weg kennt, weiß ich nicht. Jedenfalls führt er uns haargenau ans Ziel. Unsere Kähne liegen schon ablegebereit am Kay. Zwei Kähne, keine Motorschiffe, wie irrtümlicherweise in einer Einladung angekündigt war. Um Unschuldige nicht in Misskredit zu bringen, sei hier zugegeben, der Verfasser besagter Einladung … war dummerweise ich.

Das Wetter ist schon seit geraumer Zeit wieder richtig sommerlich. Nur noch mäßige Bewölkung kommt dem strahlenden Sonnenschein ab und zu in die Quere. Solche Phasen empfindet man aber schon weniger als störend, sondern mehr als angenehm frisch. Die Kähne sind richtig gemütlich hergerichtet. Sie sind ausgestattet mit Sitzbänken und Tischen und bieten so Platz für etwa 20 Personen. Die Bänke sind leicht gepolstert und damit entschieden bequemer als die in der Tschu – Tschu – Bahn. Auf den weiß gedeckten Tischen stehen Blumen und kleine geflochtene Schalen mit jeweils einigen Fläschchen guten Spreewälder Schnapses. Dazu das herrliche Wetter – und schon fühlt man sich wie im Urlaub. Doch um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, wird, nachdem wir uns alle in den wankenden Kähnen niedergelassen haben, gleich noch ein kleiner Imbiss serviert. Dieser besteht aus verschiedenen Sorten Schmalzbrot und, was natürlich nicht fehlen darf, Spreewälder Gurken. Diese gibt es selbstverständlich auch in den verschiedensten Geschmacksrichtungen, so dass unsere Gaumen so richtig verwöhnt werden, noch ehe wir uns auch nur einen Meter in unseren Kähnen vorwärts bewegt hätten. Gleich nach dem Ablegen erscheint eine junge Frau mit einem Fotoapparat am Ufer, um ein Gruppenbild von uns zu machen.

Endlich staken unsere Fuhrmänner los, die Kähne setzen sich in Bewegung und wir sitzen darin, Fettbrot essend und das Leben genießend. Die Sonne nähert sich ihrem höchsten Punkt, was die Temperaturen so weit steigen lässt, dass viele von uns, besonders die Kinder, Hände und Füße seitwärts aus den Booten ins Wasser baumeln lassen. Das bringt nicht nur Erfrischung, sondern macht offensichtlich auch noch Spaß. Die Vegetation um uns herum erinnert fast einen brasilianischen Mangrovenwald. Mannshoher Hirschfarn und blühende Rhododendronbäume von beachtlichen Ausmaßen bilden, gemischt mit zahlreichen anderen exotisch anmutenden Pflanzen, einen regelrechten Dschungel. Büsche und Sträucher, die sich in den leuchtendsten Sommerfarben präsentieren, umrahmt vom ständigen Wasser, versetzen den menschlichen Geist mit einem Schlag bis an den Amazonas. Die Hitze der Mittagssonne tut ihren Teil dazu.

Kein Wunder, dass wir keineswegs allein unterwegs sind. Außer den Enten, die diesen Teil der Welt mit Recht als ihre angestammte Heimat ansehen, schweifen natürlich unzählige andere Reisegruppen in Kähnen wie wir umher. Von Wochenendurlaubern, Freizeitsportlern und vielleicht auch Einheimischen in kleineren Paddelbooten und Kanus aber wimmelt es geradezu. Wovon wir Gott sei Dank verschont bleiben, sind Mücken. Wie unser Fuhrmann erklärt, leiden die zurzeit etwas an der gerade herrschenden Trockenheit. So weit, so gut, unser Fuhrmann erklärt, während er so vor sich hin stakt, allerlei Wissenswertes über Land und Leute. Zum Beispiel, dass nicht alle Spreewaldgurken unbedingt auch im Spreewald gewachsen sein müssen und dass man unter bestimmten Voraussetzungen im Spreewald doch auch mit einem Motorboot fahren darf. Eigentlich erzählt er die ganze Zeit so viel, dass es mir wieder mal unmöglich erscheint, sich das alles zu merken. Ganz zu schweigen davon, dass ich jetzt Muse hätte, alles, was ich mir merken konnte, hier jetzt schriftlich wiederzugeben. Hier gilt genau der Rat, den ich in solchen Fällen immer zu geben pflege. Wen das alles wirklich interessiert, der soll doch ebenfalls mal eine Spreewaldtour machen. Ich kann es nur empfehlen.

Interessant ist z.B. auch, dass es im Spreewald mehrere Staustufen gibt, um das natürliche Gefälle der Spree für die Kahnfahrer auszugleichen. Und damit das einen tatsächlichen Sinn ergibt, müssen die Kähne, wenn sie an einer solche Staustufe ankommen, auf den entsprechend neuen Wasserspiegel gehoben oder gesenkt werden. Wir hatten Gelegenheit, eine solche Schleuse auszuprobieren. Sicher ist das nichts Weltbewegendes, aber trotzdem mal eine ganz lustige Erfahrung. Und für den Schleusenwart wahrscheinlich ein recht einträgliches Geschäft.

Wie die Geschäfte der kleineren und größeren Obst- und Gemüsehändler, die immer wieder am Ufer auftauchen, laufen, kann ich nicht so genau einschätzen. Auf ihre Dienste kann man aber notfalls verzichten. Insofern sind sie den Schleusenwarten ein ganzes Stück unterlegen. Wir verzichten übrigens auf ihre Dienste, wenngleich sich unser Fuhrmann, so habe ich zumindest den Eindruck, dafür auch den einen oder anderen kleinen Rüffel einholt. Er stakt tapfer an ihnen vorbei, nach dem Motto: „Aus den Augen, aus dem Sinn!“

Etwas anders verhält es sich da schon wieder mit der Großgastronomie, an der wir zur Mittagspause abgesetzt werden. Hier herrscht ziemlicher Betrieb und man könnte sich vorstellen, dass dies auch öfters so ist. Eigentlich ist es schon mehr ein richtiger Rastplatz mit gleich zwei oder drei Kneipen auf einen Haufen. Man kann gar nicht richtig entscheiden, wo die eine aufhört und die andere anfängt. Auf jeden Fall ist vom Schnellimbiss bis hin zu ordentlichem Festtagsschmaus alles im Angebot. Ganz zu schweigen von dem Warensortiment, das es außer allerlei Getränken und Eis und sonstigen Naschereien, am Rande noch so gibt. Von ganz ansprechenden Töpferwaren und Souvenirs bis hin zu allem möglichen Trödel und Kitsch ist wirklich vertreten, was immer auch nur die geringste Chance hat, von irgendjemandem gekauft zu werden. Die allgegenwärtigen Spreewaldgurken natürlich nicht zu vergessen. Wir nutzen also die vereinbarte halbe Stunde, um uns ein wenig die Beine zu vertreten und uns kundig zu machen, was alles Schönes man hier so erwerben kann. Sicher wird nebenher auch mal ein Eis gegessen oder ein Bier getrunken oder auch beides. Jeder kann tun, wonach ihm zumute ist, bis wir uns wieder an der Anlegestelle treffen, unsere Kähne besteigen und die Reise stakenderweise fortgesetzt wird.

Das Wetter hält sich nach wie vor blendend. Die Stimmung in den Kähnen ist ebenso sonnig. Es lässt sich nicht leugnen, so eine Kahnfahrt hat irgendwie etwas Erholsames an sich. Die Kinder lassen wieder Hände und Füße ins Wasser hängen. Unser Fuhrmann bittet sie darum, nicht gar zu sehr gegenzurudern, weil er sonst mit doppelter Anstrengung staken muss. Jedenfalls bleibt die Zeit nicht stehen und irgendwann fahren wir wieder in die Schleuse ein, um uns hinabzusenken auf Hafenniveau. Von der Schleuse zurück zum Hafen nimmt unser Fuhrmann die gleiche Strecke wie herwärts. Als kleine Rarität am Rande zeigt er uns noch die Bruthöhle eines Eisvogels, die sich in einem umgestürzten Baum gleich am Ufer befindet.

Sicher wäre der eine oder der andere gern noch ein Weilchen sitzen geblieben, doch als unsere Kähne wieder festgemacht haben, heißt es aussteigen. Bis zur vereinbarten Abfahrt des Busses bleibt noch eine knappe Stunde, die wir nutzen wollen, uns in der Stadt ein wenig umzusehen. Wie wir aber feststellen, gibt es in Lübbenau eigentlich auch nichts so Besonderes. Souvenirläden beherrschen das Bild, immer wieder unterbrochen von Ständen mit Spreewaldgurken. Zu meiner allergrößten Erbauung findet sich dazwischen aber auch eine Softeisbude. Ein schönes, cremiges Softeis ist bei dieser Wärme nämlich haargenau das Richtige. Einige meiner Reisekameraden sind offensichtlich ebenfalls dieser Meinung, so dass es bei der Eisverkäuferin in diesem Moment zur Abwechslung mal wieder ganz ordentlich  in der Kasse klingelt. Wir stellen indessen mit einem Blick auf die Uhr fest, dass es Zeit wird, sich zum Busbahnhof zu bewegen. Was jetzt noch am Wege steht, sind ohnehin nur kleinere Marktbuden mit Spreewaldgemüse. Es fällt uns also nicht sehr schwer, einen Schritt zuzulegen und pünktlich wie die Haftelmacher kommen wir am Bus an.

Als Kurt Hammer noch unsere Reisen plante, gehörte es zum guten Ton, dass der Bus auf der Heimfahrt noch mal irgendwo ein niveauvolles Restaurant oder eine ordentliche Speisegaststätte anfuhr, damit wir dort den Tag mit einem zünftigen Abendbrot beschließen konnten. Heute steht so etwas nicht auf dem Programm. Der Weg in die Heimat ist weit und, vor allem für die Kinder ist so eine lange Busfahrt schon auch anstrengend. Deshalb wird es noch eine kurze Pause an irgendeiner Autobahnraststätte geben und ansonsten wollen wir so schnell wie möglich nach Hause. Auf dem Heimweg passiert es schon dem einen oder anderen, dass er von einem kleinen Nickerchen übermannt wird. Aber was soll’s. Am Ende stört es wohl auch niemanden von uns, dass es unterwegs sogar noch stellenweise ganz schön lebhaft regnet. So lange es für uns heute wirklich was zu sehen gab, war das herrlichste Wetter. Und wir haben für heute eigentlich genug gesehen.

Heimatverein Wickersdorf                                                                              Eddy Bleyer

Juni 2003